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Europäischer Gerichtshof entscheidet über haushaltsnahe Dienstleistungen

Ist bald auch ein Abzug für Leistungen in der Schweiz möglich?
Europäischer Gerichtshof entscheidet über haushaltsnahe Dienstleistungen
Aktuelles
09.04.2025 — Lesezeit: 4 Minuten

Europäischer Gerichtshof entscheidet über haushaltsnahe Dienstleistungen

Ist bald auch ein Abzug für Leistungen in der Schweiz möglich?

Arbeitskosten für Handwerker oder andere haushaltsnahe Dienstleistungen können nach deutschem Steuerrecht von der Steuer abgesetzt werden. Diese Steuerbegünstigung wurde zur Bekämpfung der Schwarzarbeit in Deutschland geschaffen.  Der Europäische Gerichtshof (EuGH) muss sich jetzt in einer Vorlagefrage (Az. C-223/25)  des Finanzgerichts Köln vom 20. Februar 2025 (7 K 1204/22) damit beschäftigen, ob auch Kosten für Handwerker und haushaltsnahe Dienstleistungen abgezogen werden können, die in einem Haushalt in der Schweiz entstanden sind.

Schweizer mit deutschen Arbeitseinkünften

Die Eheleute im Streitfall besitzen jeweils die deutsche und schweizerische Staatsangehörigkeit und wohnen in der Schweiz in einem Haus. Der Ehemann bewohnte zudem aufgrund seiner nichtselbständigen Tätigkeit eine Wohnung in Deutschland. Die Eheleute beauftragten diverse schweizerische Handwerker und eine Gartenbaufirma aus der Schweiz, die ihre Arbeiten jeweils am Haus in der Schweiz ausführten. Die Rechnungsbeträge wurden überwiesen. Rechnungen nebst Zahlungsnachweisen liegen dem deutschen Finanzamt vor und sind nicht streitig.

Mit der beim deutschen Finanzamt eingereichten Einkommensteuererklärung beantragte die Ehefrau für sich die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland und die Zusammenveranlagung mit dem Ehemann. Dies ist nach geltendem Recht möglich und auch nicht streitig. Des Weiteren begehrten die Eheleute die Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer für die Handwerkerleistungen und haushaltsnahen Dienstleistungen in Höhe von 20 Prozent der Arbeitskosten.

Steuerermäßigung nur für EU/EWR-Raum

Nach § 35a EStG ermäßigt sich die Einkommensteuer um 20 Prozent der Aufwendungen, maximal jedoch um 1.200 Euro, für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen. Für haushaltsnahe Dienstleistungen gilt dies bis zu einem Höchstbetrag von 4.000 Euro pro Jahr.

Der Abzug gilt nur für Arbeitskosten. Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuerermäßigungen ist, dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten hat und die Zahlung auf das Konto des Leistungserbringers erfolgt ist.

Zusätzliche Voraussetzung für den Abzug ist, dass die Dienstleistung oder die Handwerkerleistung in einem in der Europäischen Union (EU) oder dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen ausgeübt oder erbracht worden ist.

Diskriminierung bei den haushaltsnahen Dienstleistungen?

Mit dem Finanzamt stritten die Eheleute lediglich über den letzten Punkt, denn die Schweiz liegt weder in der EU noch im EWR. Das Finanzamt lehnte den Ansatz der Kosten mit Hinweis auf die geltende Rechtslage ab.

Die Eheleute bemängelten, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung gemäß des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen) verletzt sei.

Freizügigkeitsabkommen mit der Schweiz

Der Grundsatz der Nichtdiskriminierung im Abkommen umfasst nicht generell und absolut jede Ungleichbehandlung von Staatsangehörigen einer der Vertragsparteien, die sich im Hoheitsgebiet des anderen Staates aufhalten. Es verbietet nur Diskriminierungen, soweit die Situation dieser Staatsangehörigen in den sachlichen Anwendungsbereich dieses Abkommens fällt.

Nach Anhang I des Freizügigkeitsabkommens umfasst das Recht auf Freizügigkeit nicht nur das Recht auf Ein- und Ausreise, sondern für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen auch das Recht im Beschäftigungsstaat die gleichen steuerlichen Vergünstigungen zu erhalten, wie inländische Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen. Als direkte Steuerermäßigung ist § 35a EStG eine Steuervergünstigung in diesem Sinne.

Finanzgericht lässt EuGH entscheiden

Da die Auslegung des Freizügigkeitsabkommens in diesem Fall entscheidend für die Urteilsfindung des Finanzgerichts ist, wird das Verfahren bis zur EuGH-Entscheidung ausgesetzt. Die Finanzrichter haben Zweifel, ob es mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar ist, dass die Steuerermäßigungen nach § 35a Abs. EStG nur dann in Anspruch genommen werden können, wenn die begünstigten Dienstleistungen in einem in der EU oder dem EWR liegenden Haushalt ausgeübt oder erbracht werden, sie damit jedoch in Deutschland tätigen Arbeitnehmern aus der Schweiz bei einer Dienstleistungserbringung in ihrem Haushalt in der Schweiz verwehrt werden.

Durch die Ausübung seines Freizügigkeitsrechts als Arbeitnehmer erleidet der Ehemann im Streitfall in Deutschland einen steuerlichen Nachteil im Verhältnis zu inländischen Arbeitnehmern, deren Haupt- und Zweitwohnung innerhalb Deutschlands liegen. Er ist zudem steuerlich benachteiligt gegenüber Arbeitnehmern, die aus Mitgliedstaaten der EU oder des EWR stammen und im Herkunftsland ihren Haushalt beibehalten, gleichzeitig aber in Deutschland arbeiten und wohnen.

Es sei kein Grund ersichtlich, die Ausweitung der Abzugsfähigkeit auf die EU/EWR-Länder nicht auch auf Haushalte in der Schweiz vorzunehmen, wenn die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind.

Fazit: Auch in der Vergangenheit hat der EuGH in Streitfällen mit Verweis auf das Freizügigkeitsabkommen zu Gunsten der Steuerpflichtigen entschieden. So beispielsweise in Bezug auf die Zusammenveranlagung (EuGH, Urteil vom 28. Februar 2013, C 425-11) oder die Möglichkeit der Antragsveranlagung (EuGH, Urteil vom 30. Mai 2024, C 627/22). Steuerpflichtige in vergleichbaren Situationen sollten daher Steuerbescheide offenhalten, um von einem möglicherweise positiven Urteil zu profitieren.

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