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Ein Gesellschafter kann die ganze Gemeinschafts­praxis infizieren

Wenn die Gewerbesteuerfalle zuschnappt
Ein Gesellschafter kann die ganze Gemeinschafts­praxis infizieren
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21.04.2022 — zuletzt aktualisiert: 23.05.2022 — Lesezeit: 4 Minuten

Ein Gesellschafter kann die ganze Gemeinschafts­praxis infizieren

Wenn die Gewerbesteuerfalle zuschnappt

Ärzte und Zahnärzte genießen als Freiberufler besondere steuerliche Privilegien. Sie sind nicht bilanzierungspflichtig und unterliegen auch nicht der Gewerbebesteuerung. Doch diese Vorteile sind an Bedingungen geknüpft.

Freiberuflich tätig ist nur, wer leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Eine leitende Tätigkeit umfasst dabei die:

  • Organisation des Sach- und Personalbereichs
  • Arbeitsplanung
  • Arbeitsverteilung
  • Aufsicht über Mitarbeiter und deren Anleitung sowie ie stichprobenweise Überprüfung der Ergebnisse.

Zudem darf keine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt werden. Dafür ist bereits der Verkauf von Gesundheitsprodukten z. B. Zahnpflegeartikeln und Nahrungsergänzungspräparaten oder von Büchern ausreichend, denn das gehört nicht zur freiberuflichen Tätigkeit. Vielmehr handelt es sich hierbei um einen Gewerbebetrieb.

Beschäftigt ein Praxisinhaber einen Arzt oder einen anderen qualifizierten Mitarbeiter bei sich, den er weder anleitet noch überwacht, wird die Tätigkeit ebenfalls nicht mehr als freiberuflich, sondern als gewerblich beurteilt.

Bagatellgrenzen können gewerbliche Infizierung vermeiden
Die gewerbliche Tätigkeit einer Personengesellschaft führt grundsätzlich zu einer Umqualifizierung der gesamten freiberuflichen Einkünfte der Gesellschaft in gewerbliche Einkünfte. Allerdings gibt es Bagatellgrenzen, die diese gewerbliche Infektion vermeiden. Nur wenn die gewerblichen Umsätze 3 % der Nettoumsätze der Gesellschaft und die betragsmäßige Bagatellgrenze von 24.500 Euro der Nettoumsätze überschreiten, wird der Praxisgewinn umqualifiziert.

Überschreitet dieser umqualifizierte gewerbliche Gesamtgewinn der Gesellschaft den gewerbesteuerlichen Freibetrag von 24.500 Euro, entsteht Gewerbesteuer, die abhängig vom Hebesatz der Gemeinde zwischen 8,75 und 20,3 % (bzw. im bundesweiten Durchschnitt bei etwas über 15 %) liegt. Die Gewerbesteuer ist zwar mitunter vollständig auf die Einkommensteuer anrechenbar. In vielen Fällen ergibt sich dadurch aber eine Zusatzbelastung, insbesondere, wenn der Gewerbesteuer-Hebesatz über dem bundesweiten Durchschnitt liegt. Außerdem kann dies zur Bilanzierungspflicht führen, wenn der jährliche Gewinn mehr als 60.000 Euro beträgt.

Jeder Gesellschafter muss freiberuflich tätig sein
Bei Personengesellschaften ist es äußerst wichtig, dass jeder einzelne Gesellschafter leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Eigenverantwortlich ist eine Tätigkeit, wenn der (Zahn-)Arzt aufgrund von eigenen Fachkenntnissen in ausreichendem Maß an der praktischen Arbeit teilnimmt und hierfür gegenüber dem Patienten die Verantwortung übernimmt. Jeder (Zahn-)Arzt schuldet eine höchstpersönliche und individuelle Arbeitsleistung am Patienten. Er muss daher einen wesentlichen Teil der ärztlichen Leistungen selbst erbringen. Eine Arbeitsteilung bzw. „Teamarbeit“ ist zwar unschädlich, aber nicht unbegrenzt zulässig.

„Alles außerhalb der Mundhöhle“
So entschied kürzlich das Finanzgericht Rheinland-Pfalz, dass der gesamte Praxisgewinn einer zahnärztlichen Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) gewerblich infiziert sei, weil ein Gesellschafter der BAG (Zahnarzt) die Organisations-, Verwaltungs- und Management-Aufgaben übernommen hatte. Der Zahnarzt hatte weder feste Behandlungstage noch war gewährleistet, dass er im Rahmen seiner unregelmäßigen Praxistätigkeiten (einmal pro Woche) überhaupt systematisch in die Patientenbehandlung eingebunden war und Patienten in der Praxis beriet. Er trug nur mit 0,28 Promille zum Umsatz der Partnerschaftsgesellschaft bei. Damit wurden die beiden Bagatellgrenzen zwar unstrittig nicht überschritten. Doch das war für die Finanzrichter nicht entscheidend.

Sie urteilten: Ein Zahnarzt, der nicht leitend und eigenverantwortlich tätig wird und nahezu keinerlei zahnärztliche Beratungs- oder Behandlungsleistungen unmittelbar gegenüber Patienten erbringt, erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Das hatte schwerwiegende Konsequenzen für die gesamte BAG und die übrigen Gesellschafter. Die Beteiligung eines gewerblichen Mitunternehmers führt dazu, dass die gesamten Einkünfte der BAG infiziert und in gewerbliche Einkünfte umqualifiziert werden. Auf die Einhaltung der Bagatellgrenzen kommt es dann nicht mehr an.

Tipp: Arbeitsteilung ist wichtig. Doch Organisations-, Verwaltungs- und Management-Aufgaben („alles außerhalb der Mundhöhle”) sollten nicht derart auf einen der Mitunternehmer konzentriert werden, dass er nicht mehr ärztlich tätig ist. Freiberufler sollten daher kritisch prüfen, ob ihre Organisation und Arbeits-weise bei einer Betriebsprüfung beanstandet werden könnte und ihre Praxisorganisation gegebenenfalls anpassen.

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