Schiedsspruch: Das sind die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen
Lange hat der Berufsstand für die Einführung pharmazeutischer Dienstleistungen gekämpft. Diese bieten eine Chance, die Versorgung der Patienten zu verbessern, die Kundenbindung zu stärken und zugleich das pharmazeutische Profil im Arbeitsalltag der Apotheke zu schärfen. Letzteres ist in Anbetracht des wachsenden Onlinemarktes, der Einführung des E-Rezeptes und des möglichen Markteintritts global agierender Unternehmen unerlässlich um im „Haifischbecken“ der Arzneimittelversorgung zu überleben.
Deshalb wurde mit dem Vor-Ort-Stärkungsgesetz 2020 der Anspruch der Patienten auf pharmazeutische Dienstleistungen gesetzlich festgeschrieben. Dabei handelt es sich um Leistungen, die über die Verpflichtung zur Information und Beratung gemäß § 20 der Apothekenbetriebsordnung hinausgehen und die die Versorgung der Versicherten verbessern sollen. Nachdem sich der Deutsche Apothekerverband und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung nicht auf eine konkrete Ausgestaltung einigen konnten, hat nunmehr ein Schiedsspruch Klarheit geschaffen.
Fünf pharmazeutische Dienstleistungen
Ab sofort dürfen Apotheken bei entsprechender Qualifikation den Patienten diese fünf pharmazeutischen Dienstleistungen anbieten und die dokumentierte Durchführung mit den Krankenkassen wie folgt abrechnen:
- Erweiterte Medikationsberatung von Patienten mit Polymedikation – 90 Euro
- Pharmazeutische Betreuung von Patienten nach Organtransplantation – 90 Euro plus 17,55 Euro für ein Folgegespräch
- Pharmazeutische Betreuung von Patienten unter oraler Antitumortherapie – 90 Euro plus 17,55 Euro für ein Folgegespräch
- Standardisierte Risikoerfassung bei Bluthochdruck-Patienten, die mindestens ein antihypertensives Medikament einnehmen – 11,20 Euro
- Standardisierte Einweisung in die korrekte Arzneimittelanwendung und Üben der Inhalationstechnik für Patienten ab einem Alter von sechs Jahren – 20 Euro
Bei der Vergütung handelt es sich jeweils um Netto-Beträge. Nach derzeitigem Stand ist davon auszugehen, dass es sich bei den neuen pharmazeutischen Dienstleistungen um umsatzsteuerpflichtige Leistungen handelt. Es bleibt abzuwarten, ob das Bundesfinanzministerium im Wege einer Billigkeitsmaßnahme eine entsprechende Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Umsatzsteuergesetz gewährt.
Die erweiterte Medikationsberatung sowie die pharmazeutische Betreuung können nur von Apothekern erbracht werden, die eine entsprechende Fortbildung absolviert haben. Die Apothekerkammern bereiten entsprechende Fortbildungsangebote vor. Für die Blutdruckmessung und die Inhalativa-Beratung ist keine spezielle Schulung erforderlich, hier dürfen zudem auch PTA beraten.
Hinweis: Die Dienstleistungen müssen in das Qualitätsmanagement der Apotheke eingepflegt werden.
Pharmazeutische Dienstleistungen: Wie wird abgerechnet?
Für die pharmazeutischen Dienstleistungen stehen pro Jahr 150 Millionen Euro an Honorar zur Verfügung. Seit dem 15. Dezember 2021 wird bereits ein Zuschlag von 20 Cent pro abgegebener Rx-Packung an den Nacht- und Notdienstfonds zur Finanzierung abgeführt.
Die Abrechnung der erbrachten Leistungen erfolgt quartalsweise über einen Sammelbeleg, zunächst über die Rechenzentren. Diese rechnen wiederum mit dem Nacht- und Notdienstfonds ab. Die Dienstleistungen müssen dafür dokumentiert und vom Patienten quittiert werden. Zur Abrechnung ist eine Sonder-PZN für jede Dienstleistung vorgesehen.
Grundsätzlich ist ein zweistufiges Vergütungsmodell vereinbart worden. Wenn die Summe der von allen Apotheken abgerechneten Dienstleistungen dem insgesamt zu verteilenden Betrag entspricht (oder kleiner ist), wird je nach Dienstleistung voll vergütet.
Wird insgesamt eine größere Summe abgerechnet als pro Quartal vorgesehen ist, erhalten die Apotheken in einer ersten Stufe eine Garantiezusage in Höhe von 1000 Euro pro Quartal. Die über diesen Betrag liegenden Forderungen werden proportional gekürzt und dann ausgezahlt.
Gibt es Anforderungen an die Räumlichkeiten?
In jedem Fall gilt, dass pharmazeutische Dienstleistungen in einem diskreten Setting stattfinden sollen. Ein separater Beratungsraum ist optimal, aber nicht zwingend vorgeschrieben. Möglich ist auch ein abgeschirmter Bereich in der Offizin.
Fazit:
Die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen bringen für die Apotheke positive Imageeffekte mit sich, stärken die Kundenbindung und erhöhen die Chance auf Rezepteinlösung und Zusatzverkäufe. Da Investitionen kaum nötig sind, reduziert sich im Ergebnis die wirtschaftliche Betrachtung auf die Höhe der für die Erbringung der Leistungen anfallenden Personalkosten.