Miete und Strom sind nicht das Gleiche
Photovoltaikanlagen erfreuen sich einer großen Beliebtheit. Und so ist es nicht verwunderlich, dass diese auch zunehmend auf zu Wohnzwecken vermieteten Gebäuden zu finden sind. Für Vermieter hat der Bundesfinanzhof nun ein erfreuliches Urteil gefällt (Az. XI R 8/21). Für vor dem Jahr 2023 angeschaffte Photovoltaikanlagen ist ein Vorsteuerabzug aus den Anschaffungskosten auch bei Lieferung von Mieterstrom möglich.
Wenn der Vermieter auch der Stromlieferant ist
Der Steuerpflichtige vermietete im Streitjahr umsatzsteuerfrei ein Mehrfamilienhaus und ein Doppelhaus. Auf beiden Objekten wurde im Dezember 2018 jeweils eine Photovoltaikanlage einschließlich eines Batteriespeichers installiert. Neben den Mietverträgen wurde mit den Mietern eine Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag über Stromversorgung geschlossen. Diese Zusatzvereinbarung war monatlich kündbar und der Mieter hätte, nach Übernahme von Umbaukosten, auch einen fremden Stromanbieter wählen können.
Für die Mieter wurden zur Abrechnung des Stromverbrauchs jeweils separate Zähler eingebaut und überschüssiger Strom aus der Photovoltaikanlage wurde ins Netz eingespeist. Der gegebenenfalls von den Mietern zusätzlich benötigte Strom wurde vom Vermieter von einem fremden Stromanbieter bezogen und mit Gewinnaufschlag an die Mieter weitergegeben.
Das Finanzamt nahm an, bei der Stromlieferung des Steuerpflichtigen an die Mieter handele es sich um eine unselbständige Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Wohnraumvermietung. Ein Vorsteuerabzug aus der Anschaffung der Photovoltaikanlage sei daher nicht möglich, da die Anschaffung in Zusammenhang mit steuerfreien Ausgangsumsätzen stehe.
Abgrenzungsproblematik Hauptleistung und Nebenleistung
Ob eine unselbständige Nebenleistung oder eine selbständige Hauptleistung vorliegt, ist oftmals nicht ganz einfach zu entscheiden und daher stets nach den Umständen des Einzelfalls zu betrachten. Der Grundsatz lautet: Ein Umsatz, der eine wirtschaftlich einheitliche Leistung darstellt, darf nicht künstlich aufgespalten werden. Diese liegt vor, wenn mehrere Einzelleistungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Insbesondere ist eine Leistung als Nebenleistung anzusehen, wenn sie für die Kunden keinen eigenen Zweck darstellt, sondern das Mittel, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.
Ist die Lieferung von Mieterstrom eine selbständige Leistung?
Im vorliegenden Fall gab das Finanzgericht dem Steuerpflichtigen Recht und auch der BFH stimmte dieser Einschätzung zu. Der BFH bestätigte, dass im Urteilsfall die Lieferung von Mieterstrom an Wohnungsmieter eine selbständige Hauptleistung neben der steuerfreien Vermietungsleistung ist. Die Kosten des Vermieters für die Anschaffung einer Photovoltaikanlage stünden somit nicht im direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit der umsatzsteuerfreien Wohnraumvermietung, sondern mit den umsatzsteuerpflichtigen Stromlieferungen. Somit sei der Vorsteuerabzug aus der Anschaffung der Photovoltaikanlage nicht ausgeschlossen.
Die Erfassung der Lieferung von Mieterstrom durch den Vermieter als selbständige Hauptleistung diene ebenfalls der Gleichheit der Besteuerung des Endverbrauchs. Denn der Lieferer von Mieterstrom tritt in Wettbewerb mit anderen Stromanbietern, die Strom nur umsatzsteuerpflichtig als Hauptleistung anbieten können.
Kopplungsverbot von Mietvertrag und Stromvertrag
Und wie so oft, kommt es auf das Detail an. Der BFH unterscheidet dabei zwei Fälle.
- Verfügt der Mieter über die Möglichkeit, die Lieferanten und/oder die Dienstleistungen auszuwählen, können die Leistungen grundsätzlich als von der Vermietung getrennt angesehen werden (wie im Urteilsfall).
- Bildet die Vermietung eines Gebäudes in wirtschaftlicher Hinsicht offensichtlich mit den begleitenden Leistungen objektiv eine Gesamtheit, kann demgegenüber davon ausgegangen werden, dass Letztere mit der Vermietung eine einheitliche Leistung bilden.
Doch diese Verbindung von Vermietung und weiteren Leistungen, wie der Stromlieferung, ist nicht in jedem Fall erlaubt.
Das Energiewirtschaftsgesetz bestimmt ein grundsätzliches Kopplungsverbot von Miet- und Energieversorgungsverträgen (siehe Hinweise der Bundesnetzagentur). Das bedeutet, ein Mieterstromvertrag darf nicht Bestandteil eines Mietvertrags über Wohnräume sein. Davon gibt es nur wenige Ausnahmen. Der Mieterstromvertrag kann Bestandteil eines Mietvertrags sein, wenn der Wohnraum nur zum vorübergehenden Gebrauch gemietet wird oder sich in einem Alters-/Pflegeheim oder Studenten- bzw. Lehrlingsheim befindet.
Mit dem Abschluss des Mietvertrags kommt in diesen speziellen Ausnahmefällen automatisch auch ein Mieterstromvertrag zustande. Ein Lieferantenwechsel ist damit ausgeschlossen. Nur in diesen Fällen ist umsatzsteuerlich von einer unselbständigen Nebenleistung zur steuerfreien Vermietung auszugehen.
Auswirkungen für die Anschaffung von Photovoltaikanlagen ab 2023
Ab dem Jahr 2023 wurde für die Lieferung von Photovoltaikanlagen der sogenannte Nullsteuersatz eingeführt. Ein Vorsteuerabzug ist nun betragsmäßig nicht mehr möglich. Die Stromlieferungen jedoch unterliegen weiterhin dem Regelsteuersatz, da es sich um eine selbständige Hauptleistung neben der Vermietung handelt. Dies kann nur vermieden werden, wenn die Kleinunternehmerregelung in Anspruch genommen werden kann. Dafür darf der Gesamtumsatz aller unternehmerischen Tätigkeiten im vorangegangenen Jahr 22.000 Euro und im laufenden Jahr voraussichtlich 50.000 Euro nicht übersteigen. Eine Anhebung der Grenzen auf 25.000 Euro für das Vorjahr bzw. 100.000 Euro tatsächlicher Umsatz für das laufende Jahr ist geplant.
Hinweis: Wurde in der Vergangenheit zur Regelumsatzbesteuerung optiert, sollte geprüft werden, ab wann diese Option widerrufen werden kann und eine Rückkehr zur Kleinunternehmerregelung möglich ist.
Stromzukauf führt zu Übergang der Steuerschuldnerschaft
Ab dem Jahr 2025 müssen sich auch Vermieter mit dem Thema E-Rechnung befassen. Doch nicht nur das: Beim Mieterstrom sollten sich Vermieter auch noch einmal genau mit den Regelungen zum sogenannten Reverse-Charge-Verfahren vertraut machen. Denn der sogenannte Übergang der Steuerschuldnerschaft kann sie beim Angebot von Mieterstrom schneller treffen, als viele Vermieter meinen. Wie der BFH in seinem Urteil erwähnte, kann im Mieterstrom-Modell durch den Einkauf und die Weiterlieferung von Reststrom eine Wiederverkäufereigenschaft ausgelöst werden, die dazu führt, dass der Vermieter die Umsatzsteuer auf die Stromlieferung durch den Energieversorger schuldet. Dies gilt auch, wenn der Vermieter Kleinunternehmer ist. Ein Vorsteuerabzug ist insoweit durch die Kleinunternehmereigenschaft nicht möglich.