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Kleiner Schritt, großer Wandel: Nachhaltigkeitspflicht in der Gesundheitsbranche

Interview mit Janine Peine und Fritz Baldus zu ihrem Nachhaltigkeits-Workshop auf dem Green Health Forum in Dresden
Kleiner Schritt, großer Wandel: Nachhaltigkeitspflicht in der Gesundheitsbranche
Aktuelles
07.08.2023 — Lesezeit: 6 Minuten

Kleiner Schritt, großer Wandel: Nachhaltigkeitspflicht in der Gesundheitsbranche

Interview mit Janine Peine und Fritz Baldus zu ihrem Nachhaltigkeits-Workshop auf dem Green Health Forum in Dresden

Die Frage, wie Organisationen im Gesundheitswesen die Nachhaltigkeit messbar machen können, stößt auf hohes Interesse. So auch bei den Workshopteilnehmenden von Janine Peine, Leitung ETL ADVISION und Steuerberaterin, und Fritz Baldus, Wirtschaftsprüfer bei der ETL Prüfung & Beratung, auf dem Green Health Forum. Wir sprechen mit den beiden Experten darüber, wie wichtig nachhaltiges Handeln im Gesundheitssektor ist, beleuchten mit ihnen gemeinsam die Chancen und Risiken der Nachhaltigkeitsberichterstattung und erfahren, was Unternehmen heute schon tun können, um morgen nicht im Nachhaltigkeits- und Berichts-„Chaos“ zu versinken.

Sie waren beide auf dem Green Health Forum in Dresden. Was hat Sie zur Teilnahme bewegt?
Janine Peine: Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Trendthema, sondern für eine gesunde Zukunft unabdingbar. Der Gesundheitssektor hat viele Möglichkeiten zum nachhaltigen Handeln, die gemeinsam gedacht und umgesetzt werden sollten. Veranstaltungen wie das Green Health Forum bringen die Akteure und damit verschiedene Sichtweisen zusammen. Hieraus können neue Ideen und Wege entstehen. Daran wollen wir mitwirken.

Fritz Baldus: Zur Teilnahme bewegt haben mich einerseits die vielen Teilnehmenden und andererseits die unterschiedlichen Stakeholder: Von Ministerien, Krankenkassen, Verbänden und den einzelnen Leistungserbringern war alles vertreten. Das Forum war und ist eine gute Plattform der Diskussion und des Austausches.

Warum ist aus Ihrer Sicht nachhaltiges Handeln auch im Gesundheitswesen so wichtig?
Peine: Ich vertrete die Ansicht, dass gerade im Gesundheitswesen nachhaltiges Handeln essenziell ist. Das Gesundheitswesen dient dem Erhalt oder der Wiedererlangung der Gesundheit. Nachhaltiges Handeln zielt auf ein Gleichgewicht zwischen vorhandenen Ressourcen und Bedarf ab, zum langfristigen Wohlergehen von Natur und Mensch. Nachhaltigkeit und Gesundheitswesen haben also den gleichen Nenner.

Frau Peine, was sind aus Ihrer Sicht die Chancen und Herausforderungen bei der Umsetzung einer Nachhaltigkeitsstrategie im Gesundheitswesen?
Peine: Ich sehe in dem Gesundheitswesen den größten Kommunikationsmultiplikator. Diesen zu nutzen, um die Wichtigkeit von nachhaltigem Handeln für eine gesunde Zukunft zu verdeutlichen, sehe ich als Riesenchance. Die Herausforderung ist, einen gemeinsamen Weg für das Gesundheitswesen zu entwickeln und diesen zu finanzieren. Das Gesundheitswesen ist in so viele verschiedene Bereiche gegliedert, die berücksichtigt werden müssen. Die eine Faustformel wird es nie geben. Zudem steht die Finanzierung des Gesundheitswesens bereits jetzt auf sehr wackeligen Beinen. Es muss neben der Verpflichtung zur Nachhaltigkeit unbedingt auch darüber gesprochen werden, mit welchen Mitteln die entsprechenden Maßnahmen finanziert werden können.

Herr Baldus, ab 2024 werden auch kleinere und mittelständische Unternehmen verpflichtet, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie in Bezug auf den verpflichtenden Bericht?
Baldus: Die Beschäftigung mit den ESG-Kriterien und deren Ausprägung im eigenen Unternehmen wird eine sehr aufwendige, zeitraubende – und auch kostspielige – Aufgabe für die Leistungserbringer. Die Pflicht zum Nachhaltigkeitsbericht bietet die Chance, dass sich Unternehmen nun mit den bereits vorhandenen Daten über verschiedenste Leistungs-/Verbrauchsmengen und Kennzahlen auseinandersetzen. Wer sich dabei nicht nur auf den technischen Aufbau einer Reportingstruktur und das Abarbeiten von Checklisten konzentriert, sondern auch die Unternehmensstrategie mit einbezieht, wird eine Stärkung des Unternehmens im Sinne der Resilienz erreichen.

Wie würden Sie die Nachhaltigkeitsberichterstattung für Neulinge in der Branche erklären, Herr Baldus?
Baldus: Bisher galten die Regeln für die Berichtspflicht nur für große kapitalmarktorientierte Unternehmen. Das ändert sich ab 2024. Mit der Vorlage der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) sind nun auch die KMU in der Pflicht. Innerhalb weniger Jahre wird die Mehrheit der mittelgroßen und großen Unternehmen in der EU einen jährlichen Bericht erstellen müssen, in dem umfassend über Aspekte von Umweltschutz und -verschmutzung, sozialem Handeln und Unternehmensführung informiert wird. Der Berichtsaufbau wird nach standardisierten Vorgaben der EU erfolgen.

Herr Baldus, große Unternehmen sind früher als andere Unternehmen dazu verpflichtet worden, eine Nachhaltigkeitsberichterstattung vorzunehmen. Was können kleinere und mittelständische Unternehmen jetzt schon tun?
Baldus: Für jeden Unternehmer ist es notwendig, sich die Bedürfnisse seiner Stakeholder immer wieder bewusst zu machen und neu zu überdenken, was die wesentlichen finanziellen und auch nicht finanziellen Ausprägungen des Unternehmens sind. Zu Letzterem zählen Kennzahlen, die die Leistungsmessung auf einer übergeordneten Ebene abbilden wie Kundentreue oder Wartezeiten bei einer Serviceleistung. Vor dem eigenen Nachhaltigkeitsbericht sollte sich jedes Unternehmen, unabhängig von der Größe, folgende Fragen stellen: Wer interessiert sich für das Unternehmen? Das können Gesellschafter, Mitarbeitende, Kunden/Patienten oder auch die Öffentlichkeit, Banken und Lieferanten sein. Was ist für diese relevant? Hier fließen unter anderem Faktoren wie das Ansehen, Mitarbeiter- und/oder Kundenzufriedenheit, Emissionen oder transparente Führung ein. Die Beschäftigung mit diesen beiden Fragestellungen und anschließend dem Aufbau eines Berichtswesens nach den Vorgaben der EU, wird ein bis eineinhalb Jahre Zeit in Anspruch nehmen. Ich denke, dass sich viele Unternehmen dessen noch nicht bewusst sind. Mein Rat: Heute anfangen, um für Morgen gewappnet zu sein.

In Ihrem Workshop wurde das von comesio entwickelte ETL ESGA-Tool vorgestellt. Welchen Mehrwert können Unternehmen auch auf lange Sicht daraus ziehen?

Peine: Das ETL ESGA-Tool ist sehr leicht anwendbar und eine praktische Hilfe, um sich dem Thema Nachhaltigkeit auch unternehmerisch zu nähern. Man erhält einen Überblick, kann erste Kennzahlen für das eigene Unternehmen auswählen, deren Entwicklung verfolgen und Einfluss darauf nehmen. Das Tool dient als Steuerungsinstrument für eine nachhaltige Unternehmensausrichtung: Ziele werden definiert und die Realisierung nachvollziehbar. Nur was messbar ist, lässt sich auch steuern. Die doppeldeutige Devise für das Tool lautet: Nachhaltigkeit einfach machen, einmal mit der Betonung auf „einfach“ und einmal mit der Betonung auf „machen“.

Baldus: Das ETL ESGA-Tool ist ein kostengünstiges und einfach zu handhabendes Werkzeug, das die Sammlung und Aufbereitung der Daten für das ESG-Reporting unterstützt. Ohne Hilfsmittel wird jedes Unternehmen mit dem Nachhalten von Informationen zu über 1.000 von der EU geforderten Datenpunkten überfordert sein. Insbesondere mittelständische Unternehmen, auch aus der Gesundheitswirtschaft, wird der Kosten-Nutzen-Faktor von hochkomplexen IT-Verfahren nicht überzeugen können. Genau dort sehe ich den Markt für das ETL ESGA-Tool. Die Möglichkeit zur Einbindung von Schnittstellen zu Vorsystemen bei gleichzeitiger Möglichkeit zur Befüllung auf Basis simpler Exceltabellen unterstreicht den pragmatischen Ansatz bei der Entwicklung. Die Struktur der Erfassungsmasken und das Layout der Berichtsausgaben können recht unkompliziert individualisiert werden und führen zu einem hochprofessionellen Ergebnis.

Welche Impulse oder künftigen Themen haben Sie aus dem Workshop mitgenommen?
Peine: Ich sehe einen großen Informationsbedarf zum Thema Nachhaltigkeit, was auch durch die vielen Fragen in unserem Workshop deutlich wurde. Vielen Unternehmen ist noch nicht bewusst, welche Pflichten auf sie zukommen und wie sie mit dieser neuen Herausforderung umgehen sollen. Ich sehe unsere Aufgabe darin, ein Informations- und Unterstützungsangebot anzubieten, damit Nachhaltigkeit in Unternehmen umgesetzt werden kann. Beginnend damit, was Nachhaltigkeit überhaupt bedeutet, wo sie im Unternehmen identifiziert werden kann und welche Möglichkeiten zur Umsetzung es überhaupt gibt. Der erste Schritt ist oft der schwerste. Doch es gibt zahlreiche Möglichkeiten und selbst kleine Veränderungen haben bereits eine Wirkung. Ich halte es für wichtig, sich grundsätzlich erst einmal dem Thema zu nähern und sich dann einen Aspekt auszusuchen, mit dem man beginnt. Wichtig ist jetzt, sich zeitnah mit Nachhaltigkeit im Unternehmen auseinandersetzen – und damit auch mit der Zukunft des eigenen Unternehmens.

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