Fachkräftemangel in Krankenhäusern „zum Teil hausgemacht“
„Lauterbach kündigt Milliarden-Paket für Kliniken an“ – „Geburtsstation vor dem Aus“ – „Krankenhäuser vor Überlastung“ – „Es droht eine Insolvenzwelle“ – „Personalmangel größtes Problem für Krankenhäuser“ – „Vom Krankenhaus zum Geisterhaus“ – „Rettungsschirm für Krankenhäuser wird verlängert“
Schlagzeilen wie diese zur Situation der Krankenhäuser in Deutschland gibt es Tag für Tag: Es gibt zu wenig Ärzte und Pflegekräfte – und die Zukunftsprognosen sind düster. Immer mehr Fachkräfte geben den Beruf mangels Attraktivität auf. Immer mehr Gesetze und Verordnungen sollen den Personaleinsatz regeln. Versuche, Ärzte und Pflegekräfte aus dem Ausland zu rekrutieren, scheitern mehrheitlich. Kopfprämien werden für neue Fachkräfte bezahlt. Sogenannte „Leasingkräfte“ müssen für viel Geld die Lücken schließen, die im täglichen Dienstplan entstehen. Es wird alles dafür getan, den Stellenplan zu erfüllen – mit allen Mitteln. Mehr Geld ist vielleicht kurzfristig wichtig und gut, löst aber die Probleme nicht. Die entscheidende Frage wird nur ungerne gestellt bzw. beantwortet: Warum setzen wir die knappe Zahl der wertvollen Fachkräfte nicht richtig ein?
Die ETL WRG ist seit mehr als vier Jahrzehnten auf den Personalbedarf von Krankenhäusern spezialisiert. „Die letzten zwei Jahrzehnte wurden wir immer gefragt, wenn ein Krankenhaus wirtschaftliche Schwierigkeiten hatte, weil es vermeintlich zu viel Personal im Stellenplan hatte“, erklärt Carsten Schäfer, Geschäftsführer der ETL WRG, und ergänzt: „Das geht heute komplett an der Realität vorbei, was aber nicht heißt, dass der effiziente und effektive Einsatz wertvoller Fachkräfte außer Acht gelassen werden darf.“ Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels dürfen knappe Ressourcen nicht verschwendet werden. Das passiert aber deutlich häufiger, als die Verantwortlichen zugeben wollen.
Zu viele Krankenhäuser bieten zu viele Leistungen an. Und für jedes Leistungsangebot braucht es Personalvorhaltungen, meistens 24 Stunden an sieben Tagen die Woche – unabhängig davon, ob es überhaupt genügend Patienten gibt.
Das lässt sich auch deutlich an den Zahlen ablesen. Betrachtet man zunächst den Zeitraum bis zur Corona-Pandemie, also 1991 bis 2019, so gab es laut Destatis eine Fallzahlsteigerung in den Krankenhäusern von knapp über 33 Prozent. Im selben Zeitraum stieg die Anzahl der Vollzeitstellen im Ärztlichen Dienst um über 76 Prozent. Mit Corona brachen die Fallzahlen von rund 19,4 Millionen auf jeweils 16,7 Millionen in 2021 und 2022 ein, die Vollzeitstellen der Ärzte stiegen trotzdem von rund 168.000 auf 173.000. Sicherlich kommen weitere Aspekte hinzu, die es zu berücksichtigen gilt. Aber immer wieder stellen die Experten der ETL WRG fest, dass Fachkräfte für Bereitschaftsdienste und Nebenzeiten in zu kleinen Abteilungen eingesetzt werden, die keinesfalls ausgelastet sind.
Ein aktuelles Fallbeispiel: Insgesamt acht Ärzte und 19 Pflegekräfte hielten eine Abteilung durchgängig am Laufen, obwohl im Durchschnitt nur sechs Patienten pro Tag in der Abteilung behandelt werden und das nächste Krankenhaus nur 15 Minuten entfernt die gleiche Abteilung ebenfalls mit Schwierigkeiten aufrechterhält. Wenn dann ein Arzt im Durchschnitt nur zwei Stunden pro Woche im OP-Saal steht, kann weder von guter Qualität noch von einem sinnvollen Einsatz knapper Ressourcen gesprochen werden.
„Wir werden in Deutschland zukünftig keine Chance haben, für die heutige Anzahl an Krankenhäusern und Abteilungen ausreichend Ärzte und Pflegekräfte zu haben. Das ist eine Illusion“, so Schäfer weiter. Die Chance in dieser Krise liegt darin, dass nun Anreize geschaffen werden, um die Angebotsstruktur der Krankenhäuser sinnvoll zu bereinigen. Nicht jedes Krankenhaus muss alles können. Bisher wollte aber niemand bestimmen, welche Kapazitäten an welchen Standorten abgebaut werden müssen. Das lässt sich der Öffentlichkeit auch nur schwer vermitteln. Aber erst dann kann man sich mit der Frage beschäftigen, wie Fachkräfte sinnvoll eingesetzt werden können.
Die Personalsteuerung der Zukunft dreht sich für die ETL WRG um folgenden Kernsatz: „Mit dem richtigen Personal zur richtigen Zeit am richtigen Ort die richtigen Dinge tun“. Letztendlich ist dies der einzige Weg, um trotz knapper Ressourcen eine sehr gute Gesundheitsversorgung gewährleisten zu können. Unsere Erfahrung: Eine Vielzahl an Krankenhäusern haben teilweise nur vage Vermutungen zum tatsächlichen Leistungsgeschehen in den Abteilungen. Vor allem die ambulanten Leistungen, Sprechstunden und Diagnostikbereiche sind eine große Black Box. Wenn jetzt verstärkt Anreize zur Ambulantisierung gesetzt werden, etwa durch die neuen Tagesbehandlungen oder den IGES-Katalog zum ambulanten Operieren, die Krankenhäuser aber den Ressourceneinsatz gar nicht richtig kennen, wird sich das Problem des Fachkräftemangels mit Sicherheit nicht verbessern. Carsten Schäfer fasst zusammen: „Ein Teil des Fachkräftemangels ist hausgemacht. Das Gute an der Nachricht ist: Das können wir selbst beeinflussen, wir müssen es nur endlich tun.“ Die Krisensituation der Krankenhäuser sollte dazu genutzt werden, die erforderliche Transparenz im Leistungsgeschehen und in der Leistungserbringung herzustellen.