Auf den Zeitpunkt kommt es an
Wer jung ist, will die Welt entdecken. Hier bieten Freiwilligendienste die verschiedensten Möglichkeiten. Doch bei der zeitlichen Gestaltung sollten junge Menschen und ihre Eltern aufpassen. Nach einer kürzlich ergangenen Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH, Urteil vom 12. Oktober 2023, III R 10/22) kann es für den Kindergeldbezug schädlich sein, wenn zusammengehörende Ausbildungsabschnitte wie Bachelor- und Masterstudium aufgrund eines dazwischen absolvierten Freiwilligendienstes nicht unmittelbar aufeinander folgen und dem keine zwingenden organisatorischen Gründe entgegenstehen.
Im vorliegenden Fall schloss die Tochter des Steuerpflichtigen ein Bachelorstudium ab und absolvierte anschließend ein freiwilliges soziales Jahr im Ausland. Nach dem Ende des Freiwilligendienstes übte sie im Zeitraum Juli bis September des Streitjahres eine Aushilfstätigkeit von 25 Wochenstunden aus. Der Masterstudienplatz wurde der Tochter im Juli zugesagt, den sie dann im Oktober antrat. Die Familienkasse gewährte ab Juli kein Kindergeld, wogegen sich die Klage richtet.
Für ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, besteht ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Dies liegt zum Beispiel vor, wenn ihm ein Ausbildungsplatz bereits zugesagt wurde, es diesen aber aus schul-, studien- oder betriebsorganisatorischen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt antreten kann. Der Masterstudienplatz stand der Tochter erst ab Oktober zur Verfügung, sodass grundsätzlich Anspruch auf Kindergeld mangels Studienplatzes für den Zeitraum Juli bis September bestand.
Enger zeitlicher Zusammenhang erforderlich
Ein Kind wird jedoch nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, wobei eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis unschädlich sind. Da die Tochter von Juli bis September eine Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Stunden ausübte, war für den Kindergeldanspruch im Streitfall entscheidend, ob es sich bei dem Masterstudium noch um einen Teil der Erstausbildung handelt. Nur dann hätte die Erwerbstätigkeit unberücksichtigt bleiben können.
Im Fall einer mehrteiligen Ausbildung, wie einem Bachelor- mit anschließendem Masterstudium, muss objektiv erkennbar sein, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss, d.h. dem Bachelor, beendet hat. Liegen mehrere Ausbildungsabschnitte vor, können diese dann eine einheitliche Erstausbildung darstellen, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das vom Kind angestrebte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann.
Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang zueinanderstehen und in einem engen zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden. Ein enger zeitlicher Zusammenhang ist nur dann gewahrt, wenn das Kind den nächsten Teil der mehrteiligen Ausbildung zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufnimmt.
Der enge zeitliche Zusammenhang muss dabei zwischen den beiden Ausbildungsabschnitten bestehen. Der Entschluss zur Fortsetzung der Ausbildung reicht für einen engen zeitlichen Zusammenhang nicht aus, wenn der weitere Ausbildungsabschnitt nicht aufgenommen wird, obwohl er grundsätzlich begonnen werden konnte, da dem weder schul-/studienorganisatorische noch andere objektive Gründe entgegenstehen.
Nach Ansicht des BFH hat die Tochter mit dem Bachelorabschluss eine erstmalige Berufsausbildung erlangt. Denn nachdem sie ihr Bachelorstudium abgeschlossen hatte, hat sie nicht den nächsten Teil der mehrteiligen Ausbildung (hier das Masterstudium) zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufgenommen, sondern sich aus persönlichen Gründen zunächst für die Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres entschieden. Das Masterstudium gehörte daher im Streitfall aufgrund des fehlenden engen zeitlichen Zusammenhangs nicht mehr zur Erstausbildung. Daraus folgt, dass die Erwerbstätigkeit der Tochter zu prüfen war. Weil diese über der unschädlichen Grenze von 20 Stunden pro Woche lag, bestand kein Kindergeldanspruch mehr.
Fazit und Empfehlung
Im Idealfall werden Freiwilligendienste vor Beginn der weiterführenden Ausbildung wie Bachelor- und Masterstudium abgeleistet. Aber auch wenn dies nicht möglich sein sollte, ist der verzögerte Beginn des Masterstudiums nicht immer schädlich, sofern es dafür zwingende Gründe, wie das Fehlen eines Studienplatzes, gibt. Entsprechende Bewerbungen und Ablehnungen sollten für die Familienkasse dokumentiert werden. Sofern eine Erwerbstätigkeit zwischen den Ausbildungsabschnitten gewünscht oder notwendig ist, sollten Kinder und Eltern auf die Höchstgrenzen bei den erlaubten Wochenstunden achten, um den Kindergeldanspruch nicht zu gefährden.
Ab Beginn des Masterstudiums bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres besteht wieder der Anspruch auf Kindergeld, sofern das Kind während des Masterstudiums keiner Berufstätigkeit von mehr als 20 Stunden pro Woche nachgeht.