Abflusszeitpunkt bei regelmäßig wiederkehrenden Zahlungen
Werden Zahlungen eines Unternehmers kurz vor oder nach Ende des Kalenderjahres geleistet, stellt sich die Frage, ob diese im Jahr der Zahlung oder im Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit zu berücksichtigen sind. Häufigstes Praxisbeispiel sind die Umsatzsteuervorauszahlungen. Die Rechtslage ist noch nicht in allen Einzelfällen geklärt, jedoch hat der Bundesfinanzhof (BFH) jetzt in einem Punkt Klarheit geschaffen.
Regelmäßig wiederkehrende Ausgabe
Im Allgemeinen werden Einnahmen und Ausgaben in dem Kalenderjahr berücksichtigt, in dem sie geleistet wurden. Dies gilt jedoch – mit einigen Ausnahmen wie z. B. der Abschreibung – nur für die Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung bzw. bei der Ermittlung der Überschusseinkünfte. Wird der Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich (Bilanzierung) ermittelt, ist das Zufluss-Abfluss-Prinzip nicht anwendbar.
Regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, die kurze Zeit (10 Tage) vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, abgeflossen sind, werden in diesem Kalenderjahr berücksichtigt. Typische Beispiele sind Mietzahlungen, Versicherungen, Telefonkosten und die Umsatzsteuervorauszahlungen.
Verlust der wirtschaftlichen Verfügungsmacht muss vorliegen
Für die Frage, wann Zahlungen als abgeflossen gelten, kommt es auf die Zahlungsart an. Während bei Barzahlungen das Geld sofort aus dem Portemonnaie verschwindet, ist es bei Überweisungen und Lastschriften nicht immer ganz so eindeutig. Hier hat die Finanzverwaltung Hilfestellung gegeben.
Im Lastschriftverfahren liegt ein Abfluss bereits dann vor, wenn der Steuerpflichtige durch die Erteilung der Einzugsermächtigung und eine ausreichende Deckung seines Girokontos alles in seiner Macht Stehende getan hat, um die Zahlung der Steuerschuld zum Zeitpunkt der Fälligkeit zu gewährleisten. Der Abfluss ist daher regelmäßig mit Abgabe der Voranmeldung anzunehmen.
Beispiel: Der Unternehmer gibt seine Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 01 am 10. Januar 02 ab. Eine Dauerfristverlängerung liegt nicht vor. Das Finanzamt zieht den Betrag für die Umsatzsteuervorauszahlung am 11. Januar 02 per Lastschrift ein. Aufgrund des Lastschrifteinzugs ist der Abfluss im Zeitpunkt der Fälligkeit (10. Januar 02) anzunehmen. Die Vorauszahlung wird im Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit berücksichtigt.
Bei einer Überweisung erfolgt der Abfluss spätestens im Zeitpunkt der Buchung. Der Abfluss kann aber auch bereits mit Eingang des Überweisungsauftrags bei der Überweisungsbank erfolgen, da der Zahlende ab diesem Zeitpunkt keine Verfügungsmacht mehr über den Verlauf der Überweisung hat. Voraussetzung ist allerdings, dass das Konto die nötige Deckung aufweist.
Voraussetzung – auch Fälligkeit innerhalb von 10 Tagen
Obwohl der Gesetzeswortlaut nur auf die Zahlung innerhalb von 10 Tagen abstellt, war es lange Ansicht der Finanzverwaltung, dass auch die Fälligkeit innerhalb dieser 10 Tage liegen muss. Hier gab es viele Streitigkeiten zwischen der Finanzverwaltung und den Steuerpflichtigen. Der BFH hat jetzt mit Urteil vom 16. Februar 2022 (X R 2/21) klargestellt, dass es für die Anwendung der 10-Tage-Regelung auch auf die Fälligkeit innerhalb kurzer Zeit vor Beginn oder nach Beendigung des Kalenderjahres ankommt. Die Fälligkeit der Einnahmen bzw. Ausgaben muss somit zwingend zwischen dem 20. Dezember und dem 10. Januar liegen (und gezahlt worden sein).
Fristverschiebung durch Samstag, Sonntag und Feiertag unbeachtlich
Was aber, wenn sich die Fälligkeit verfahrensrechtlich auf den nächstfolgenden Werktag verschiebt, da der 10. Januar auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt? Hier hat der BFH schon im Jahr 2018 in zwei Urteilen entschieden, dass die 10-Tage-Regel auch dann greift, wenn sich die Fälligkeit einer Umsatzsteuer-Vorauszahlung verfahrensrechtlich aufgrund eines Sonnabends oder Sonntags auf den nächsten Werktag verschiebt, die tatsächliche Zahlung aber innerhalb der ersten 10 Tage des neuen Jahres erfolgt. Zur Begründung führt der BFH an, dass es bei Ermittlung der Fälligkeit für den 10-Tage-Zeitraum allein auf die gesetzliche Fälligkeit im Umsatzsteuergesetz ankommt. Eine Verlängerung des 10-Tage-Zeitraums im Hinblick auf die nach der Abgabenordnung hinausgeschobene Fälligkeit ist unbeachtlich.
Beispiel: Der 10. Januar 02 ist ein Sonntag und der Unternehmer übermittelt seine Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 01 am 11. Januar 02. Der Lastschrifteinzug durch das Finanzamt erfolgt am 12. Januar 02.
Die Umsatzsteuerzahlung wird erst im Jahr der Zahlung berücksichtigt, d. h. im Jahr 02. Die Voranmeldung ist fristgerecht, aber nicht innerhalb des 10-Tages-Zeitraums beim Finanzamt eingegangen. Die verfahrensrechtlich verschobene Fälligkeit auf den nächstliegenden Werktag ist unbeachtlich.
Offene Frage Dauerfristverlängerung
Noch nicht abschließend entschieden ist die Frage, wie mit der Fälligkeit bei Vorliegen von Dauerfristverlängerungen umzugehen ist. Denn hier wird die Fälligkeit nicht verfahrensrechtlich, sondern im Umsatzsteuergesetz bzw. der Durchführungsverordnung selbst verlängert. Hierzu sind zwei Verfahren vor dem Bundesfinanzhof anhängig. Denn auch wenn die Zahlung der Umsatzsteuer innerhalb der ersten 10 Tage des Folgejahres erfolgte, liegt bei einer Dauerfristverlängerung die Fälligkeit erst am 10. Februar, und damit außerhalb des 10-Tage-Zeitraums. Nach Auffassung des Finanzgerichts Düsseldorf soll es mit Verweis auf den Gesetzeswortlaut nur auf den Zahlungszeitpunkt ankommen. Die Finanzverwaltung vertritt demgegenüber ebenso wie das Sächsische Finanzgericht eine gegenteilige Auffassung und verlangt neben der Zahlung innerhalb der 10-Tages-Frist auch deren Fälligkeit innerhalb dieser Frist.
Tipp: In Zweifelsfällen sollten die Bescheide mit Verweis auf die anhängigen Verfahren offengehalten werden.